Enderle: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 5. Juli 2006, 23:26 Uhr
Zum Gedenken an dem Enderle von Ketsch wurde am 27. Juni 1970 an der Rheinhallenauffahrt ein Denkmal in Form einer Bronzegussplastik errichtet. 1982 wurde das Enderle-Denkmal vor das erweiterte Rathaus von Ketschversetzt.
Das Enderle-Lied
Das Enderle-Lied von Josef Victor von Scheffel erinnert an den Schultheißen Enderle aus dem 16. Jahrhundert. Vertont von Chr. Schmetzer
- Jetzt weicht, jetzt flieht! Jetzt weicht, jetzt flieht! Mit Zittern und Zähnegefletsch; Jetzt weicht, jetzt flieht! Wir singen das Lied vom Enderle von Ketsch.
- Ottheinrich, der Pfalzgraf bei Rheine, der Sprach eines Morgens: Remblem!Ich pfeif auf die saueren Weine, ich geh nach Jerusalem.
- Viel schöner und lilienweißer schaun dort die Jungfraun drein, o Kanzler, o Mückenhäuser, fünftausend Dukaten pack ein!
- Und als sie lagen vor Joppen, da faltet der Kanzler die Händ`, jetzt langt`s noch zu einem Schoppen, dann sind die Dukaten zu End`.
- Ottheinrich, der Pfalzgraf, sprach munter: Remblem! Was ficht uns das an? Wir fahren nach Cyprus hinunter und pumpen die Königin an.
- Schon tanzte die alte Galeere vor Cyprus in funkelnder Nacht, da hub sich ein Sturm auf dem Meere und rollender Donner erkracht.
- Umzuckt von gespenstischem Glaste ein schwarzes Schiff braust vorbei, hemdärmlich ein Geist steht am Maste und furchtbar gellet sein Schrei:
- Jetzt weicht, jetzt flieht! Jetzt weicht, jetzt flieht! Mit Zittern und Zähnegefletsch; Jetzt weicht, jetzt flieht! Im Sturm herzieht, der Enderle von Ketsch.
- Der Donner klang leise und leiser und glatt wie Öl lag die See, dem tapferen Mückenhäuser, dem Kanzler war`s wind und weh.
- Der Pfalzgraf stand an dem Steuer und schaute in die Wogen hinaus: Remblem! `S ist nimmer geheuer, o Cyprus, wir müssen nach Haus.
- Gott sei meiner Seele gnädig, ich bin ein gewitzigter Mann; zurück, zurück nach Venedig, wir pumpen niemand mehr an!
- Und wer bei den Türken und Heiden, wie ich, sein Geld verschlampamt, der verzieh` sich geräuschlos beizeiten, es klingt doch höllenverdammt.
- Jetzt weicht, jetzt flieht! Jetzt weicht, jetzt flieht! Mit Zittern und Zähnegefletsch; Jetzt weicht, jetzt flieht! Im Sturm herzieht, der Enderle von Ketsch!
Die Enderle Sage
In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, 1502 bis 1559, lebte Ottheinrich von der Pfalz, derselbe, der das Heidelberger Schloss durch den Ottheinrichsbau erweiterte. Er war der Neffe des Kurfürsten Friedrich des II., der ihm auch das Schloß in Schwetzingen zum Vergnügungsaufenthalt eingeräumt hatte. Ottheinrich war zwar eine edel veranlagte Natur, stand aber in jungen Jahren ganz unter dem Einfluß seiner wüsten Jagd- und Zechkumpane: dem italienischen Höfling Minola sowie den Junkern Hans Landschad von Steinach, Gerhard von Handschuhsheim und Veit von Hülshofen. Unbarmherzig ritten sie auf ihren Jagdzügen die Saaten der Felder nieder und gingen rücksichtslos gegen die klagenden Bauern vor. Alles Bitten, selbst beim Kurfürsten, half nicht; der Jagd- und Wildfrevel wurde nur noch schlimmer. So entschloß sich der Schultheiß Enderle von Ketsch, der bis jetzt immer seine Bauern vor Unbesonnenheiten bewahrt und sie auf den Weg des geschriebenen Rechts gewiesen hatte, einen letzten Versuch zu machen. Er zog selbst mit seinen Leuten vor das Schloß nach Schwetzingen und bat um Gehör. Seine berechtigten Klagen wurden höhnisch abgewiesen, ja die Bauern mit Hunden und Peitschen zum Hof hinausgejagt. Auf dem Heimweg entlud sich, nach der erlittenen Schmach und dem Anblick der zerstörten Felder, der Zorn der Bauern. Sie vernichteten die Salzstellen, verwüsteten die Futterplätze und legten das aufgescheuchte Wild um. Enderle selbst erlegte einen mächtigen Achtzehnender und schleppte das Geweih nach Hause, wo er es an der Scheune befestigte. Vor dem Zorn der Bauern flüchtende Jagdgehilfen brachten die Kunde des Geschehens vor Ottheinrich und seine Jagdgenossen. Die schwuren dem Ketscher Schultheißen eine schnelle Rache. Sie sprengten mit eiligen Reitern an einem anderen Tag, als die meisten Bauern auf den Feldern waren, in das Dorf. Ottheinrich war wohlweislich in Schwetzingen geblieben. Von dem Haus des Schultheißen rissen sie das Geweih herunter, während Minola dem ins Haus flüchtenden Evchen, des Schultheißen Tochter, nacheilte. In dem Augenblick kommt der Schultheiß vom Feld. Auf Befehl des Landschads wird er überwältigt und an seine eigene Scheune gebunden, wo er wehrlos den Peitschenhieben des Junkers ausgesetzt ist. Ein Knecht des Enderle konnte unbemerkt die Sturmglocken läuten. Die Bauern stürzten herbei, die Knechte wurden erschlagen oder flohen eiligst. Ritter von Steinach wird umringt. Schon drängt der Schultheiß, dessen Fesseln von seiner Magd gelöst wurden, herbei, und mit einem Schlag streckt er den Landschad tot zu Boden. Den Tumult benützend hat Minola des Schultheißens Tochter gebunden und auf seinem Pferd nach Schwetzingen entführt. Enderle schwört Rache und verläßt Haus und Hof.
Evchen wurde in ein Zimmer des Schlosses gebracht, wo sie ermüdet eingeschlafen ist. Erwachend sieht sie den Pfalzgrafen, ohne ihn zu erkennen. Sie glaubt in ihm einen Edelknechten zu sehen, der sie vor Wochen aus den Fluten des Rheins errettet, und bittet ihn, sie aus den Händen des Pfalzgrafens zu befreien. Ottheinrich, ihr Vertrauen benützend, bewegt sie dazu, mit ihm nach Heidelberg zu fliehen, wo er sie in Sicherheit bringen würde. In einem Zimmer in Heidelberg, unter der Obhut einer Wärterin, verbringt sie mehrere Wochen in Dankbarkeit gegen ihren vermeintlichen Retter. Eines Tages erzählt ihr die Wärterin von einem großen Fest in Heidelberg und daß heute der Einzug von Ottheinrichs zukünftiger Gemahlin Susanne von Bayern stattfindet. Evchen entschließt sich, gleich nach dem Einzug Ottheinrich zu Füßen zu fallen und für sich und ihren Vater um Gnade zu bitten. Da zieht der Festzug an ihrem Fenster vorbei und mit Entsetzen erkennt sie ihren vermeintlichen Retter, den Pfalzgrafen selbst. Sie entflieht ihrem Gemach und macht sich auf den Weg zu ihrem Vater nach Ketsch.
Unterdessen war der Schultheiß aus Gram über den Verlust seines Kindes und aus Zorn über die Niedertracht der Herrenleute zum Schrecken der Gegend geworden. Der Wald stand bald da, bald dort in Flammen. Das Wild lag in Massen verendet in den herrschaftlichen Waldungen. Knechte fand man erschlagen im Revier; aber immer blieb der Enderle für Freund und Feind unsichtbar. Bald ging das Gerede, er stehe mit dem Satan im Bunde. In einer dunklen Nacht kehrt Evchen zurück und hört ihren Vater in lauter Selbstanklage fluchen. In der Befürchtung, der Vater könnte Böses von ihr denken, entschließt sie sich, erst am kommenden Morgen ihm entgegenzugehen. Sie irrt in den Wald hinaus. Das Rauschen des Rheins lockt sie an. Ein Fehltritt am schilfbewachsenen Ufer macht ihrem Leben ein Ende. Beim Morgengrauen findet Enderle vor dem Haus ein Anhängsel seines Kindes und sieht dessen Spur im Sand. Da auf sein Rufen keine Antwort kommt, folgt er der Spur und findet sein Kind im Schilf. Alle Versuche, es wieder ins Leben zurückzurufen, bleiben erfolglos. Schon ertönt Hörnerklang. Ottheinrich jagt. Er tritt aus dem Gebüsch und sieht den unglücklichen Vater an der Leiche seines Kindes. Der erhebt sich und mit einem Blick, der Rache schwört, ruft er dem Pfalzgrafen zu: Wie Du mein Haus zertrümmert, so soll auch das Deine zerbrechen. Kein Stein soll auf dem anderen bleiben. Dein Name sei ausgelöscht. Weder Sohn noch Tochter sollst du haben, kein Enkel stehe einst an deinem Grabe. Verflucht sollst du sein, wie ich es bin. Über Meere und Land will ich dich hetzen, ich der Enderle von Ketsch.