Konzentrationslager Neckarelz

Aus dem Rhein-Neckar-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Rhein-Neckar-Wiki überarbeiten

ACHTUNG: Dieser Artikel bedarf einer Überarbeitung. Eine inhaltliche Begründung befindet sich auf der Diskussionsseite.
Wenn du Lust hast, verbessere den Artikel und entferne anschließend diesen Baustein. Vielen Dank für Deine Unterstützung!

Im Zweiten Weltkrieg gab es auch bei Mosbach zeitweise ein KZ. Das Konzentrationslager Neckarelz war von März 1944 bis März 1945 ein so genanntes Außen- oder Nebenlager des KZ Natzweiler-Struthof im Elsass. In Neckarelz und Obrigheim betrieb die SS im Rahmen der Luftschutzmaßnahmen für die Untertage-Verlagerung kriegswichtiger Industriebetriebe dieses große KZ. Von dort aus wurden durch mehrere Tausend Zwangsarbeiter und Häftlinge Flugzeugmotoren der Firma Daimler-Benz in mehreren Bergbau-Stollen im Berg unter dem Schloss Neuburg gefertigt.Es war der Hauptteil der Neckarlager in dieser Region gewesen. Heute erinnern ein Museumsraum in der ehemals zum Häftlingslager gehörenden Schule von Neckarelz und der Geschichtslehrpfad Goldfischpfad auf der anderen Neckarseite bei Obrigheim an die Stollen „Goldfisch“ und „Brasse“ mit der Untertage-Fabrik. Oberirdisch sieht man kaum noch etwas vom KZ und der Fabrik. Das hauptsächlich beteiligte Autounternehmen begann in den 1990er Jahren mit der historischen Aufarbeitung seiner Firmengeschichte und unterstütze den örtlichen Gedenkverein etwas.

Errichtung eines KZ mitten im Ort[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 15. März 1944 wurden 500 Häftlinge des KZ Dachau in der Neckarelzer Schule einquartiert. Es wurden fünf Klassenzimmer zu Schlafräumen für jeweils etwa die Hälfte der 800 Häftlinge umfunktioniert. Sie mußten rund um die Uhr arbeiten und konnten also die Schlafstellen nur abwechselnd benutzen. Der Schulhof wurde zum Appellplatz. Umgeben war das ganze Geviert von Stacheldrahtverhau und Wachtürmen. 1944 wurden zusätzlich in dem Bereich einige Baracken gebaut und eine Duschanlage für die aufgestockte Wachmannschaft (nur zum Teil SS-ler, auch Reservesoldaten aus der Gegend).

Den Weg von Neckarelz nach Obrigheim mussten die Häftlinge täglich zu Fuß über die damals bestehende Eisenbahnbrücke zurücklegen. Dabei klapperten ihre Holzpantinen auf den Straßen und den Brückenbohlen unüberhörbar.

Für den enormen Arbeitskräftebedarf wurden zusätzliche Lager in Mosbach (das Hammerlager für SS-Strafgefangene) und Neckarelz (Neckarelz II, am alten Bahnhof) für andere Häftlingskategorien in Betrieb genommen. Für Zwangsarbeiter/-innen wurde das Lager Hohl in Neckarelz (für 1.100 Ostarbeiter/-innen), ein Lager in Obrigheim für „Westeuropäische Fremdarbeiter“, das Lager in der Turnhalle in Mosbach für italienische Militärinternierte (IMI) und für weitere Gefangene die kleineren Lager am Bahnhof Hassbachtal und Bahnhof Asbach (Baden) errichtet. Bis Juni 1944 kamen weitere 2.000 Bauhäftlinge in den Lagern Neckargerach und Neckarelz – Alter Bahnhof (Neckarelz II) unter. In den folgenden Monaten wurden zusätzlich vier kleinere Nebenlager des Elzer KZ in Oberschefflenz, Bad Rappenau und Neckarbischofsheim in zum Teil vorhandenen Gebäuden errichtet.

In der Umgebung befanden sich auch noch weitere, ebenfalls unterirdisch, ausgelagerte Rüstungsanlagen. Mit einer ständigen Belegung von 2.500 Personen war das Lager in Neckarelz zum größten der Außenkommandos vom KZ Natzweiler geworden.

Das Schicksal der meisten Häftlinge blieb unbekannt. Nur wenige werden von Anfang bis Ende des Lagers hier überlebt haben. Insgesamt waren etwa 10.000 Gefangene in einem der zum Neckarelzer Lager gehörigen Kommandos, wenn auch nicht alle zur selben Zeit und am selben Ort ihr Nachtlager hatten. Nicht mehr arbeitsfähige Häftlinge wurden aussortiert (Selektion), d.h. sie wurden nach Natzweiler, Dachau oder Vaihingen in den sicheren Tod deportiert. Allein bis Oktober 1944 waren dies bei drei Transporten mindestens 750 Personen.

Das Rathaus in Guttenbach und das Schloss in Binau, wenige Kilometer flussabwärts, waren Sitz der SS-Kommandantur der gesamten Außenlager des KZ Natzweiler in der Region. In Guttenbach wurde von den insgesamt auf dem Rückzug befindlichen Nazis versucht, die Verwaltung des dann aufgelösten KZ Natzweiler wieder aufzubauen. Markowitsch beschreibt, dass Anfang März 1945 diese Gesamtkommandantur vom ehemaligen KZ Natzweiler (jetzt müßte es richtigerweise Mannheim/Neckarelz heißen) weiter nach Stuttgart und schließlich nach Dürmendingen zog.

Der Todesmarsch nach Dachau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 28. März begannen wegen des Vorrückens amerikanischer Truppen in den Neckarraum die SS-ler die zu diesem Zeitpunkt im Großraum Mannheim/Mosbach befindlichen 4.000 gehfähigen Häftlinge der KZ-Außenlager Heppenheim, Bensheim und Neckarelz über Neuenstadt und Kupferzell zum Bahnhof in Waldenburg mit einem Fußmarsch abzutransportieren. Der Marsch sollte als „Todesmarsch“ für lange Zeit bekannt werden, da etwa 600 Häftlinge die Strapazen nicht überlebten bzw. von den SS-lern ermordet wurden. Knapp 900 nicht mehr gehfähige Häftlinge aus Neckarelz sollten per Zug nach Dachau verbracht werden, blieben aber wegen der inzwischen zerstörten Bahngleise mit dem Zug bereits im 30 km entfernten Osterburken liegen, wo es bis zum Eintreffen der amerikanischen Truppen über 40 weitere Tote gab. Die Bevölkerung der Region hat die zeitweise unbewachten Gefangenen nicht mit Lebensmitteln oder medizinisch versorgt. Eine Gruppe weiblicher Gefangener, die ab Neckargerach dem Transport angehörten, sind allem Anschein nach durch Verbrennen der gesamten Waggons getötet worden. Über 800 Gefangene konnten am 3. April von amerikanischen Truppen aus dem Zug zwischen Adelsheim und Osterburken befreit werden.

Täter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lagerkommandanten waren vom 15. März bis zum 15. Mai 1944 Franz Hößler (ehemaliger Schutzhaftlagerführer im KZ Auschwitz I; danach Leitung des Häftlingslagers KZ Dora-Mittelbau und stellvertretender Kommandant im KZ Bergen-Belsen), danach Franz Hofmann bis zum 15. Oktober 1944 (auch aus Auschwitz). Bis zum März 1945 folgte in dieser Aufgabe der Luftwaffenhauptmann Wilhelm Streit, der im September 1944 der SS beigetreten war.

Die Mosbacher Gedenkstätte konnte seit den 90er Jahren auch das Schicksal verschiedener Täter oder Tatbeteiligter öffentlich machen:

  1. Die SS-Führungsgruppe: Sie bestand zumindest aus dem jeweiligen Lagerkommandant; einem Michel als Verantwortlichem für Arbeitseinsätze in den Stollen; von Gestapo-Schmidt, für Überwachung und Bestrafungen zuständig.
  2. Mitglieder der SS-Wachmannschaften waren Streit, Gerlach, Lutz.
  3. Architekten des Lagers und der Stollen: Kiemle, Architekt der damaligen Fa. Daimler-Benz; Haag, Bauleiter bei Daimler-Benz; Glaser, zuständig beim Führungsstab der SS
  4. es wurden Mitarbeiter von beteiligten Baufirmen bekannt.


Reste[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Stollen und Tunnels bestehen bis heute. Im Goldfisch wird weiterhin Gips abgebaut, Brasse und der Bahntunnel bei Obrigheim sind aus Sicherheitsgründen nicht zugänglich. Kormoran erfüllte bis zur Stilllegung des Streckenabschnitts Aglasterhausen-Obrigheim im Jahr 1971 wieder seine ursprüngliche Funktion als Eisenbahntunnel und verwilderte danach; Mitte der 2000er Jahre wurden seine Portale vermauert.

Aus den Häftlingsbaracken des Kommandos in Neckarbischofsheim wurde nach dem Krieg eine Sägerei (Wohnzwecke) und es entstand daraus die heutige Schwarzbachsiedlung.

Der „Goldfischpfad“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der zwei Kilometer lange Rundweg Goldfischpfad funktioniert wie ein Lehrpfad. seine Stationen erinnern an die Sklavenarbeit der Häftlinge im Bergwerk in Obrigheim. Er beginnt am ehemaligen Bahntunnel und Bahnhof Finkenhof am südöstlichen Ortsrand. In der Nähe liegt ein kleines Industriegebiet von Obrigheim und das Straßenverkehrskreuz Mosbach quer über den Neckar. Seine mit kurzen Texten beschrifteten Stationen sind:

  1. Tunnel/Bahnhof
  2. Kesselhaus – Seine Hauptaufgabe war die Warmlufbereitung zur Verhütung von Rostschäden an den Motoren in den weitläufigen und feuchtkühlen Stollen
  3. Alte gebogene Eisenbahnbrücke über den Neckar (am alten Bahnwärterhaus)
  4. Umschlaghalle
  5. Treppenweg (1999 wieder freigelegt)
  6. Talblick
  7. Stolleneingang »Goldfisch«
  8. Küchenbaracke
  9. Stolleneingang »Brasse«
  10. Wasserversorgung

Gedenkstätten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Neckarelz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

An der Schule wurde bereits in den 1940er Jahren eine Gedenktafel der Häftlingsvereinigung angebracht.

In Heidelberg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

78 Menschen, die zwischen April und Oktober 1944 als Häftlinge im KZ Neckarelz umkamen, wurden im Heidelberger Krematorium verbrannt, die Asche wurde auf dem Kirchheimer Friedhof vergraben. Es gibt keinen Grabstein und keine Gedenktafel, die an diese Opfer des NS-Regimes erinnert. Es hat sich nun an der Elisabeth-von-Thadden-Schule in Heidelberg eine Schülergruppe gebildet, die Spenden für die Errichtung eines Denkmals sammelt.[1]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Georg Fischer, Christina Herr: KZ-Komplex Neckarlager. CD-ROM, 2. Auflage, 2006. Herausgegeben von der KZ-Gedenkstätte Neckarelz e.V.
  • Neil Gregor: Stern und Hakenkreuz. Daimler-Benz im Dritten Reich. Propyläen, Berlin 1997, ISBN 3-549-05604-4
  • Tobias Markowitsch, Katrin Rautnig: ’’Goldfisch und Zebra. Das Konzentrationsaußenlager Neckarelz.’’ Mosbach, KZ-Gedenkstätte Neckarelz e.V. Selbstverlag, 2005, 241 Seiten, ISBN 3-88260-072-1; vollständig überarbeitet 2. Auflage bei Röhrig, St. Ingbert 2011, ISBN 978-3-86110-490-2
  • Arno Plock: Damals … in jenen dunklen Jahren. Als KZ-Häftling Zwangsarbeiter in der Rüstungsindustrie. 1994 (DB AG) - 2. überarb. Fassung 2007 (kz-denk-neckarelz.de selbstverlag, Mosbach). 95 S. (ohne ISBN)
  • Hans-Werner Scheuing: „ … als Menschenleben gegen Sachwerte gewogen wurden.“ Die Anstalt Mosbach im Dritten Reich. Universitätsverlag Winter, Heidelberg. 1997 und 2. Auflage 2004. 543 Seiten, ISBN 3825316076 (enthält Hinweise auf Nutzung und den Zukauf von Gebäuden bei den Johannes-Anstalten Mosbach in Schwarzach)
  • Michael Schmid: Goldfisch, Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Eine Lokalhistorie zum Umgang mit Menschen. In: Das Daimler-Benz-Buch. Ein Rüstungskonzern im "Tausendjährigen Reich“. Greno, Nördlingen 1987. 829 S., ISBN 3891909500 (Hrsg: Schriften der Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts, Bd. 3), S. 482ff.
  • Eckart Teichert: Mosbach im dritten Reich. Zeitzeugen erzählen aus der Nazizeit. Mosbach 1992. (Aus den subjektiven Aussagen von zwölf Zeitzeugen zusammengesetztes Porträt der Stadt Mosbach 1933-45.)
  • Maurice Voutey: Gefangener des Unwahrscheinlichen. Vier Jahreszeiten in Dachau und in den Neckarlagern. Übersetzt von Dorothee Roos. Dallau, 2002. (Erinnerungsbuch des französischen Résistance-Mitglieds (FNDIRP), Historikers und Schriftstellers, in Frankreich 1995 erschienen.)
  1. Werner Popanda, Weil sie Erinnern und Gedenken als ihre Pflicht ansehen, Rhein-Neckar-Zeitung vom 21. April 2021, Seite 6