Dossemer Kerwe

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Die Dossemer Kerwe findet jährlich in Dossenheim am dritten Wochenende im September statt. Sie wird von der Gemeinde Dossenheim , dem Heimatverein Dossenheim und zahlreichen Vereinen veranstaltet.

Zentrum ist der Kronenburger Hof. Dort können die Besucher den Veranstaltungen zur Brauchtumspflege und Folklore-Darbietungen beiwohnen, moderne Live-Musik hören, für die Kinder gibt es Clowns und Zauberer. Viele Besucher aus Dossenheim und der Region kommen wegen des Straßenfestes und dem ausgedehnten Kinderflohmarkt, der an zwei Tagen im ganzen Ortskern stattfindet.

Bannweidgericht und Holzäpfeltanz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei den Aufführungen des "Bannweidgerichts" und des Holzäpfeltanzes im Brauchtumsteil der Dossemer Kerwe handelt es sich um den jährlich wiederkehrenden Versuch, ehemaliges und längst vergessenes Brauchtum wiederzubeleben.

Ursprünglich hatte es beide Einrichtungen in Dossenheim gegeben, jedoch wurde 1814 ein Verbot durch die zuständige Behörde ausgesprochen. Hintergrund für das Bannweidgericht war die Ausgestaltung von Fronrechten durch den jeweiligen Fronherrn. Im Rahmen von Fronleistungen hatten die "spannfähigen Bauern" ihr Vieh für Spanndienste einzusetzen, während die übrigen, ärmeren Bauern, mit den Händen zu arbeiten hatten. Die Dossenheimer Spannbauern, also die Oberschicht des damaligen Bauerndorfes, erhielten das Privileg, in der Zeit von der Getreideernte bis zum Sonntag nach Mariä Himmelfahrt (15. August) einen bestimmten Bezirk abzugrenzen, der nur von ihnen für ihr Zugvieh als Weidefläche genutzt werden durfte ("Bannweidrecht"), wobei ihre Söhne, die "Bannweidbuben", als Hirten das Vieh beaufsichtigten und Unberechtigte daran hinderten, ihr eigenes Vieh zu weiden und Ähren zu lesen. Jeweils Samstag Nacht setzten sich die zwölf Burschen im Freien beim Feuer zusammen und hielten Gericht über die in der Woche begangenen Frevel. Als Sanktionen sprachen sie Geldstrafen aus. Das war das "Bannweidgericht". Die Weidgerechtigkeit endete am Sonntag nach Mariä Himmelfahrt, also dem damaligen Tag des Holzäpfeltanzes.

Die erste Beschreibung des Holzäpfeltanzes stammt aus dem Jahre 1794, die erste bildliche Darstellung frühestens aus dem Jahre 1820, also lange nach dem Verbot. Der Darstellung des badischen Hofhistoriographen Aloys Wilhelm Schreiber [1] zufolge spielte sich der Brauch des Holzäpfeltanzes folgendermaßen ab: Träger des Brauchs waren zwölf Bannweidbuben, also die Söhne "spannfähiger" Bauern. Am Vorabend des Tanzes legten sie Mädchen, die sie als Tanzpartnerin wünschten, Holzäpfel vor das Fenster. Die Mädchen holten sich die Hüte der Burschen und schmückten sie mit bunten Bändern. Beim Tanz selbst holten die mit Hirschlederhosen, roten Kamisolen, weißen Strümpfen und Dreispitzen bekleideten Burschen ihre Tanzpartnerinnen aus der Menschenmenge auf die Tanzfläche. Diese war mit Holzäpfeln bestreut, was dazu führen konnte, dass Paare ausrutschten und stürzten, zum Vergnügen der Umstehenden. Ein Tanzpaar hielt einen Zweig, der von Zeit zu Zeit weitergereicht wurde. Währenddessen brannte die Lunte eines Gewehrs. Entlud sich der Schuss, blieben alle stehen und das Paar, das zu diesem Zeitpunkt den Zweig hielt, wurde zum Siegerpaar erklärt und erhielt die Preise (einen geschmückten Hut und ein Paar Strümpfe). Da dieser Brauch von der Bevölkerung umliegender Gemeinden stark besucht wurde, entwickelte sich auch ein Markt, ungünstigerweise drei Wochen vor der Kirchweihe, was für Ärmere eine erhebliche finanzielle Belastung gewesen sein soll. Es entspann sich daher eine viele Jahre, von 1792 bis 1814, andauernde Diskussion über die Abschaffung des Brauches. Solange Dossenheim zur Kurpfalz gehörte, setzten sich die Anhänger der Beibehaltung durch. Das änderte sich jedoch, als der rechtsrheinische Teil der Kurpfalz 1803 zum neuen Herzogtum Baden geschlagen wurde. Es wurde nun mit Macht versucht, eine "badische Identität" zu schaffen und durchzusetzen, besondere Bräuche einzelner Gemeinden und Regionen schienen dabei im Wege zu sein. Dementsprechend wurden das Bannweidgericht und der Holzäpfeltanz 1814 durch das Direktorium des Neckarkreises verboten. Beide Bräuche waren kurz zuvor von den Heidelberger Romantikern wie Wilhelm Budde [2] erst entdeckt und schätzen gelernt worden.

Bereits in den 1820er Jahren entdeckten dann Autoren wie Schreiber den malerischen Reiz der alten Trachten und Bräuche; in Darstellungen des Brauchtums wie in Beschreibung der pfälzischen Bergstraße, Mannheim 1794, von Friedrich Peter Wundt kam ein statistisches und ethnographisches Interesse dazu. Der dokumentarische Wert der bildlichen und textlichen Darstellungen gilt als zweifelhaft, andere Dokumente stehen jedoch nicht zur Verfügung.

Erst mehr als 100 Jahre nach dem Absterben der alten Bräuche wurde diese im Rahmen der Heimat- Trachten- und Vereinsbewegung wieder entdeckt. Der Dossenheimer Lehrer Peter Reinhard schrieb ein Stück Das Bannweidgericht, das seither jährlich aufgeführt wird, und betrieb 1922 die Wiederaufführung des Holzäpfeltanzes. Wie er selbst ausführte, wollte er den problematischen Verhältnisses im inzwischen zum "Steinbrecherdorf" gewordenen ehemaligen Bauerndorf wie Tuberkulose, Kinderarbeit und Alkoholismus, Verschuldung, Hunger, Arbeitslosigkeit und Auswanderung etwas Positives entgegensetzen. Offenbar ging das Konzept auf. In der Zwischenzeit wurden Bannweidgericht und Holzäpfeltanz zu beliebten Bestandteilen der Dossemer Kerwe.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Wolfgang Seidenspinner, Brauch und Bild. Holzäpfeltanz und Bannweidgericht in Dossenheim an der badischen Weinstraße als Praxis und Darstellung, in Beiträge zur Erforschung des Odenwaldes und seiner Randlandschaften, Band VII, Winfried Wackerfuß (Hg.) , Verlag Breuberg-Bund, Breuberg-Neustadt 2005, S. 427 - 444

Anmerkungen und Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. in seinem von 1820 bis 1827 erschienenen Werk Trachten, Volksfest und Charakteristische Beschäftigungen im Grosherzogthum Baden in XII malerischen Darstellungen und mit historisch-topographischen Notizen begleitet
  2. Budde gehörte zum Kreis um Achim von Arnim und Clemens Brentano, er war eng mit Joseph von Eichendorff befreundet, Seidenspinner S. 434

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]