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Emil Julius Gumbel
Emil Julius Gumbel (* 18. Juli 1891 in München; † 10. September 1966 in New York City) war ein Mathematiker und politischer Publizist.
Leben und Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Emil Julius Gumbel wurde als Sohn von Hermann (Privatbankier, ab 1887 in München) und Flora Gumbel geboren. Er heiratete 1930 Marieluise, geborene von Czettritz, geschiedene Solscher (1891-1952).
Nach dem Abitur 1910 am Wilhelmsgymnasium in München studierte Gumbel dort Nationalökonomie und wurde am 28. Juli 1914 zum Dr. oec.publ. mit einer Arbeit Über die Interpolation des Bevölkerungszustandes promoviert. Er meldete sich danach als Kriegsfreiwilliger. Die Erfahrungen im Krieg ließen aus ihm einen Pazifisten werden. 1917 trat er der USPD bei, mit deren Mehrheit er 1922 in die SPD wechselte.
Zu seinem großen Thema wurden die politischen Morde in der Zwischenkriegszeit. In zwei Publikationen untersuchte er den Umgang der Justiz in der Weimarer Republik.
1923 habilitierte er sich für Statistik an der Universität Heidelberg. Seine Antrittsvorlesung am 20. Januar 1923 stand unter dem Titel „Sinn und Abgrenzung der statistischen Gesetze“. In seinen Büchern Verschwörer (1924) und Verräter verfallen der Feme (1929) analysierte er deren Strukturen und machte auch auf die so genannte Schwarze Reichswehr aufmerksam. Der Titel ist ein Zitat aus dem Statut der Organisation Consul.
Gumbel wurde 1923 an der Universität Heidelberg habilitiert und hier Privatdozent, dann ab 1930 außerordentlicher Professor für mathematische Statistik. Nebenbei hielt er pazifistische Aktivitäten aufrecht. Als er 1924 auf einer Veranstaltung der Deutschen Friedensgesellschaft zum zehnten Jahrestag des Kriegsausbruchs in der Stadthalle das Schlachtfeld als „Feld der Unehre“ erwähnte, suspendierte ihn die Universität. Die Universität musste im August 1924 die Suspendierung jedoch widerstrebend wieder aufheben. Bei der Anfrage zur anstehenden Professorenernennung gaben 1929 gegen ihre Fakultät Emil Lederer und Karl Jaspers positive Voten für ihn ab. Im Anschluss an seine Ernennung zum außerordentlichen Professor 1930 kam es bei den so genannten „Gumbelkrawallen“ im Wintersemester 1930/1931 zu einer Universitätsbesetzung durch nationalsozialistische Studenten und zur polizeilichen Räumung der Universität. Als Gumbel auf einer internen Sitzung der Heidelberger Sozialistischen Studentenschaft in Erinnerung an die Hungertoten des Kohlrübenwinters 1917/18 davon sprach, dass eine Kohlrübe sich besser als Kriegerdenkmal eigne als eine leichtbekleidete Jungfrau, wurde ihm im Sommer 1932 die Lehrberechtigung entzogen.
Er befand sich seit Anfang 1932 auf einer Reise in die UdSSR. Am 15. Juni kam es zu Einleitung eines dritten Disziplinarverfahrens durch die Universitätsspitze, das mit der Entziehung der Lehrberechtigung am 5. August endete. Im August/September 1932 folgte eine USA-Reise Gumbels und im Wintersemester 1932/1933 Gastvorlesungen am Institut Henri Poincaré in Paris.
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme ging Gumbel ins französische Exil. Denn sein Name wurde 1933 bereits in der ersten veröffentlichten Ausbürgerungsliste des nun nationalsozialistischen Deutschen Reichs aufgeführt. Ihm wurde damit die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt. Während in Heidelberg seine Wohnung geplündert und seine Schriften verbrannt wurden, engagierte er sich publizistisch weiter gegen den Nationalsozialismus in Deutschland und unterstützte aus Deutschland nachkommende Emigranten. 1934 bis 1940 konnte er an der Universität Lyon arbeiten. Mit dem Einmarsch der deutschen Truppen in Frankreich musste Gumbel 1940 weiter in die USA emigrieren. In den 1950er und 60er Jahren kehrte er zu einigen Gastaufenthalten nach Deutschland zurück. Nach dem Krieg erhielt er seine Lehrbefähigung nicht zurück.
Neben seinen Büchern publizierte er öfter in der Zeitschrift Die Weltbühne und war Übersetzer und Herausgeber von Schriften Bertrand Russells. Als Mathematiker war er ein Fachmann für Statistik und maßgeblich an der Entwicklung der Extremwerttheorie beteiligt, über die er die Statistics of Extremes, sein mathematisches Hauptwerk, verfasste. Nach ihm ist die Gumbel-Verteilung benannt.
Gumbel im Urteil der Zeitgenossen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Marie Baum, in Rückblick auf mein Leben, Heidelberg 1950, Seiten 276f.: „Heidelberg war eine schon frühzeitig im nationalsozialistischen Sinne aufgewühlte Hochschule. (...) Bedauerlicherweise hatte ein Dozent, dem im übrigen Mut nicht abzusprechen war, berechtigten Anlaß zum Unwillen der jungen Leute gegeben, da er um die Mitte der 20er Jahre in öffentlicher Versammlung vom Kriegstod als dem „Feld der Unehre“ gesprochen und ein andermal ausgeführt hatte, daß einem dem Kriege 1914-18 entsprechenden Denkmal sinngemäß die Gestalt einer großen Kohlrübe gegeben werden müßte. Leider war ihm damals die venia legendi nicht entzogen worden.“
- Otto Frommel, Mein Leben (Typoskript, Autobiographische Darstellung bis 1931; um 1940 entstanden), Seite 220: „Das nationale Gefühl verletzende Äußerungen des jüdischen Dozenten Gumbel reizten und erbitterten die Studenten aufs Äußerste: ein unheilvoller Riß klaffte durch Lehrkörper und Studentenschaft.“
- Alfred Weber, nach: Christian Jansen, Mini-Max oder eigenständige Größe am Soziologenhimmel? Zum Abschluss der Alfred Weber-Gesamtausgabe, in: Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt, herausgegeben vom Heidelberger Geschichtsverein, Nr. 12/2008, S. 294: „dieser widerliche Gumbel – ich habe jetzt von dieser Sorte Menschen Kopfweh genug“.
Werke (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Die Berechnung des Bevölkerungsstandes durch Interpolation (Dissertation, München, 1916)
- Vier Jahre Lüge. Berlin: Verlag Neues Vaterland, 1919.
- Statistik der politischen Morde. In: Deutsches Statistisches Zentralblatt. - Nr. 3 (1921), S. 47-50
- Vier Jahre politischer Mord. Berlin: Malik Verlag, 1922.
- Vier Jahre politischer Mord. Verlag der neuen Gesellschaft, Berlin-Fichtenau 1922
- Übersetzung von Bertrand Russell: Einführung in die mathematische Philosophie. 1923
- (Hrsg.) Die Denkschrift des Reichsjustizministers über „Vier Jahre politischer Mord“. Malik Verlag, Berlin 1924.
- Verschwörer - Beiträge zur Geschichte und Soziologie der deutschen nationalistischen Geheimbünde seit 1918. Malik Verlag, Wien 1924.
- Untersuchungen zur Theorie der Sterbetafeln. Innsbruck, 1924.
- Vom Rußland der Gegenwart. Berlin: E. Laubsche Verlagsbuchhandlung, 1927 (mit einem Geleitwort von A. Einstein); wieder publiziert in A. Vogt (Hrsg., 1991), S. 82-164.
- Verräter verfallen der Feme. Berlin: Malik Verlag, 1929.
- "Lasst Köpfe rollen". Faschistische Morde 1924-1931. Berlin: Verlag Deutsche Liga für Menschenrechte, 1931; wieder publiziert in A. Vogt (Hrsg., 1991), S. 48-80.
- Statistics of Extremes. Columbia University Press, New York 1958.
- Vom Fememord zur Reichskanzlei. Verlag Lambert Schneider, Heidelberg, 1962.
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Christian Jansen: Emil Julius Gumbel – Portrait eines Zivilisten. Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg, 1991. ISBN 3-88423-071-9
- Eike Wolgast: Die Universität Heidelberg 1386–1986, Berlin, Springer, 1986.
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Emil Julius Gumbel“ mit weiteren Weblinks dort
zu Leben und Wirken:
- Gabriele Dörflinger: Emil Gumbel in Heidelberg — Zeit und Ort
- Emil Gumbel, aus: Semper apertus, Band 3, Seite 7 ff.; herausgegeben von der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
zu Literatur:
- Literatur von und über Emil Julius Gumbel im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Literatur über Emil Gumbel in der Landesbibliographie von Baden-Württemberg