Arisierung in Mannheim

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Vornehm klingend und die Taten verschleiernd, evtl. sogar beschönigend, nannten es die Täter und ihre Nachkommen „Arisierung“, wenn von Verfolgung bedrohten (jüdischen) Mitbürgerinnen Eigentum unter juristischen Vorwänden auf der Flucht oder beim Zugtransport in die Vernichtung im Osten gestohlen wurde. Das Unrecht daran war allen bekannt.

Die systematische Ausplünderung der jüdischen Mannheimerinnen und -er und die gewollte Vernichtung ihrer wirtschaftlichen Existenz begann unmittelbar nach dem Machtantritt der Nazis. Ab 1933 wurden überall im Deutschen Reich jüdische Betriebe geschlossen und als Konkursmasse an Parteigenossen verscherbelt oder an „Arier“ zu einem Hohn-Preis „verkauft“. Es flossen daneben Bargeld, Sparbücher und Aktien in Form der sogenannten „Judenvermögensabgabe“ oder der „Reichsfluchtsteuer“ in die Kassen des NS-Staates. Erst 1938 auch zu einer hohen Zahl an körperlichen Angriffen gegen die religiöse Minderheit durch NS-Angehörige (November-Pogrom). Ab 1941 folgte eine immer umfassendere Vernichtung (Massenmord). Und in einem letzten öffentlichen Akt der Ausplünderung wurde in den 1940er Jahren auch noch der Hausrat der jüdischen Mitbügerinnen und -er versteigert, die wenige Tage vorher angeblich spurlos „in den Osten“ deportiert worden waren. „Verzogen nach unbekannt“ oder „in den Osten“ hieß für alle: sie, die noch vor kurzem in der Nachbarschaft lebenden jüdischen Mannheimerinnen und -er werden dort von Parteigenossen in schwarzen SS-Uniformen (sie beanspruchen Arier zu sein) ermordet.

Auch in Mannheim „verloren“ die einst 6.400 hier lebenden jüdischen Mannheimerinnen und -er im Dritten Reich fast ihren gesamten Besitz; mehr als 1.600 Betriebe und 1.250 Grundstücke wurden „arisiert“.

Hunderte Mannheimerinnen und -er waren an der scheinlegalen Ausplünderung der Juden beteiligt und profitierten von ihr. Erst 80 Jahre nach der „Machtergreifung“ der NS-Diktatur nennt die vorliegende Studie erstmals entscheidende Akteure aus MA beim Namen, Verfolgte ebenso wie die Täter und kleinen oder großen Profiteuren. Dabei wird deutlich: Arisierung war kein „von oben“, von der Reichsregierung, aufgedrückter, aufgezwungener Prozess, sondern wurde vor Ort von Mannheimer Beamten und Kaufleuten, von normalen Bürgern, getragen und zum eigenen Nutzen vorangetrieben.

Ein Buch dazu: Fritsche, 2012

Ein wichtiges, 2012 erschienenes Buch zu diesem Unrecht in der Zeit von 1933 bis 1945 und dessen Folgen in der Nachkriegsära:

  • Christiane Fritsche: Ausgeplündert, zurückerstattet und entschädigt – Arisierung und Wiedergutmachung in Mannheim. 960 Seiten mit 178 Abbildungen und einer farbige Übersichtskarte. Im verlag regionalkultur, Ubstadt-Weiher. 2. Auflage 2013. ISBN 978-3-89735-772-3

Es ist eine Sonderveröffentlichung des Stadtarchivs Mannheim – Institut für Stadtgeschichte, Herausgegeben von Ulrich Nieß, Stadt Mannheim; mit einem Vorwort des Bürgermeisters Peter Kurz, Johannes Paulmann und Ulrich Nieß. Die Redaktion hatte Susanne Schlösser.

Weblinks

Siehe auch

Wenige Gegenstände erinnern im Straßenraum: