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Zeit des Nationalsozialismus in Heidelberg
Die Zeit des Nationalsozialismus in Heidelberg beschreibt die Ereignisse in Heidelberg in der Zeit von Februar 1933 bis 8. Mai 1945.
Chronologische Übersicht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- 1933
- 4. März 1933: Das Heidelberger Tageblatt meldet die Verhaftung von 20 Funktionären der KPD, darunter die Stadträte Franz Böning und Anton Böhner
- 5. März 1933: Reichstagswahl: Wahlbeteiligung in Heidelberg: 91,1%. NSDAP: 24.781 Stimmen (45,9% gegenüber einem Landesdurchschnitt von 45,4% und einem Reichsdurchschnitt von 43,9%). Zentrum: 8204 Stimmen. SPD: 7983 Stimmen. KPD: 5969 Stimmen. DNVP: 3812 Stimmen. DDP: 1398 Stimmen. CSV: 1157 Stimmen. DVP: 906 Stimmen.
- 6. März 1933: Auf dem Heidelberger Rathaus wird die Hakenkreuzfahne gehißt
- 8. März 1933: das Gewerkschaftshaus in der Rohrbacher Straße 13-15 wird zwei Tage nach einer ergebnislosen Durchsuchung durch die Polizei von SS und SA unter „Bewachung“ gestellt
- 8. März 1933: Der frei gewählte, bereits dezimierte Heidelberger Bürgerausschuss tagt zum letzten Mal
- 9. März 1933: Der Heidelberger Polizeidirektor Heinrich Athenstädt wird beurlaubt
- 11. März 1933: Der Gauleiter Baden der NSDAP Robert Wagner wird Reichsstatthalter für Baden.
- 12. März 1933: Die SA stürmt das Volkshaus in der Rohrbacher Straße 13-15, in dem sich Büros von Freien Gewerkschaften, Reichsbanner und SPD befinden. Die Redaktion der sozialdemokratischen „Volkszeitung“ in der Schröderstraße 39 wird von NS-Verbänden besetzt und deren Redakteure inhaftiert.
- 15. März 1933: Der Heidelberger Stadtrat bekennt sich zur neuen Regierung.
- 18. März 1933: Die Wohnungen von Heidelberger Kommunisten werden durchsucht, alle kommunistischen Stadtverordneten werden verhaftet
- 5. April 1933: Reichskommissar Robert Wagner gibt den „badischen Judenerlaß“ heraus (Beurlaubung aller „Nichtarier“ aus dem öffentlichen Dienst)
- 6. April 1933: Jugendkundgebung der HJ in der Heidelberger Stadthalle
- 26. April 1933: Neubildung des Heidelberger Bürgerausschuses und des Stadtrats. Reduzierung der Zahl der Mitglieder. Ausschluß der kommunistischen Mandatsträger. „Kommunistische Funktionäre“ werden von Heidelberg ins Konzentrationslager Kislau abtransportiert
- 1. Mai 1933: Der Heidelberger OB Dr. Carl Neinhaus tritt in die NSDAP ein
- 17. Mai 1933: Feierliche Verbrennung von "marxistischen und undeutschen Schriften" auf dem Universitätsplatz durch Studenten der Universität Heidelberg
- 19. Mai 1933: In der New York Times erscheint ein Artikel mit der Überschrift Heidelberg Burns ‚Un-German’ Books
- 23. Mai 1933: Die Arbeiterwohlfahrt Heidelberg wird aus dem Vereinregister gestrichen. Das Pachtgrundstück der Arbeiterwohlfahrt auf dem Bierhelderhof samt aller darauf errichteten Gebäude fällt dem Treuhänder des Landes Baden anheim.
- 23. Juni 1933: Verbot von SPD und KPD in Baden
- 25. Juni 1933: Die Heidelberger SPD-Stadträte Adolf Rausch und Heinrich Kilger werden verhaftet und ins KZ Kislau gebracht
- 30. Juni 1933: Martin Heidegger hält in der Universität Heidelberg eine Rede über die Universität im Geiste des Nationalsozialismus
- 16. Juli 1933: Erneute Bücherverbrennung auf dem Universitätsplatz
- 1934
- 1. Mai 1934: Heidelberger Kommunisten hissen auf dem Heiligenberg die rote Fahne.
- 30. Mai 1934: Grundsteinlegung der Thingstätte auf dem Heiligenberg
- 1935
- 20. März 1935: Adolf Hitler in Heidelberg
- 22. Juni 1935: Einweihung der Thingstätte auf dem Heiligenberg
- Sommer 1935: Stadtschulrat Wilhelm Seiler, Kreisleiter der NSDAP, schließt die jüdischen Kinder vom Unterricht an den Heidelberger Volksschulen aus
- 28.-30. September 1935: Zehnjahresfeier der NSDAP-Ortsgruppe Heidelberg im Beisein von Reichsjugendführer Baldur von Schirach
- 1938
- 31. März 1938: Hitler in Heidelberg
- 28./29. Oktober 1938: Ausweisung von 15.000 bis 18.000 staatenlosen, ehemals polnischen Juden aus dem Reich. U. a. werden der Heidelberger Bernhard Rubinstein und sein Sohn David im Zuge der "Aktion" festgenommen und nach Polen über die Grenze abgeschoben.
- 9./10. November 1938: In den frühen Morgenstunden des 10.November wird die Synagoge (Große Mantelgasse/Lauerstraße) von SA-Angehörigen und Mitläufern geplündert und anschließend in Brand gesetzt, ebenso in Rohrbach. Der Feuerwehr wird von der Polizei nur erlaubt, die Nachbarhäuser zu schützen.
- 10. November 1938: Etwa 150 Heidelberger Juden werden in das Konzentrationslager Dachau deportiert
- 1939
- 1./2. April 1939: Kreistag der NSDAP in Heidelberg
- 11. Mai 1939: die „Heidelberger Neuesten Nachrichten“ titeln: „Juden möglichst in bestimmten Häusern zusammengefaßt - Durchführungsbestimmungen zum Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden“
- 1939: Franz Mayer Kreisgeschäftsführer der NSDAP Heidelberg
- 1940
- 22. Oktober 1940: Deportation von 281 jüdischen Heidelbergern und ca. 114 aus den Gemeinden des Landkreises werden mit anderen Juden aus Baden und der Pfalz in das Internierungslager Gurs in Frankreich (Pyrénées-orientales) verschleppt (Wagner-Bürckel-Aktion).
- 1941
- 4. Juni 1941: Hitler ordnet die Neugestaltung von Heidelberg an. Generalbauinspektor Prof. Albert Speer wird mit der Durchführung beauftragt. Heidelberg als „Reichsausbauort“ westlich von der Altstadt soll ein gebautes Dokument des „Dritten Reiches“ werden: Festspielhaus, Aufmarschstraßen, grenzenlose Stadträume, weitreichende Perspektiven samt Überleitung in die Reichsautobahn.
- 1944
- 21. Juli 1944: Abendliche Kundgebung auf dem Langemarckplatz für Adolf Hitler als „Treuebekenntnis zu Führer und zur Idee des Nationalsozialismus“
- 1945
- 12./14. Februar 1945: letzte Deportation aus Heidelberg von jüdischen Ehepartnern aus „Mischehen“ in KZ Theresienstadt (Dieses große Konzentrationslager bei Prag wurde propagandistisch als "Ghetto für alte Juden" von der Nazi-Presse dargestellt.)
- 30. März 1945: Kampflose Besetzung Heidelbergs durch die US-Armee
Thematische Beschreibung der Ereignisse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die NSDAP, die in Heidelberg bis zur Weltwirtschaftskrise nur eine Splitterpartei gewesen war, stieß in dieser Stadt angesichts der immer schwierigeren wirtschaftlichen Verhältnisse auf zunehmende Resonanz. Bereits bei den Landtagswahlen vom 27. Oktober 1929 erzielte sie in Heidelberg mit 14,5 Prozent der Stimmen einen überdurchschnittlichen Erfolg (zum Vergleich die benachbarten Wahlkreise: Heidelberg-Land 6,6 %, Mannheim-Stadt 3,6 %, Mannheim-Land 9,0 %). Dieser Erfolg hielt an: bereits drei Jahre vor der Machtergreifung erhielt die NSDAP in Heidelberg bei den Reichstagswahlen vom 14. September 1930 30,1 % der Stimmen und war damit zur stärksten Partei in dieser Stadt geworden. An der rapide steigenden Arbeitslosigkeit allein kann diese Entwicklung nicht gelegen haben, wie die Mannheimer Wahlergebnisse zeigen. Es liegt der Schluss nahe, dass die mittelständischen Strukturen Heidelbergs ursächlich waren.[1]
Ausschaltung und Verfolgung der Linken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der Übergang des Deutschen Reiches von einer zunehmend marode werdenden, von vielen ungeliebten, parlamentarischen Demokratie zur NS-Diktatur kam nicht plötzlich, der Abbau demokratischer Strukturen vollzog sich schon vor 1933 allmählich und wurde durch die Verwerfungen in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft infolge der Wirtschaftskrise begünstigt. Der vorläufige Hohepunkt dieser Entwicklung war die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933, zugleich war dieses Ereignis der Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung. Auch weiterhin erfolgte die von den Nationalsozialisten "Gleichschaltung" genannte Neuformierung von Staat und Gesellschaft nicht schlagartig, sondern eher kontinuierlich unter dem Mantel der Legalität.
Zunächst wandten sich die Nationalsozialisten (im folgenden kurz Nazis) außer gegen die von ihnen als "Juden" ausgegrenzten Menschen gegen ihren Hauptfeind, die Linke. Um deren Entfaltungsmöglichkeiten im Reichstagswahlkampf so weit wie möglich einzudämmen, mussten die Versammlungsfreiheit und die Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit eingeschränkt werden. Hierzu diente zunächst die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes vom 4. Februar 1933. Auf der Grundlage dieser Verordnung konnten alle politischen Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel verboten werden, die vom Reichsinnenminister oder den zuständigen Polizeibehörden als "unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit" angesehen wurden. Außerdem konnten nun vermehrt Schriften der politischen Gegner beschlagnahmt und verboten werden. Im Zuge dieser Maßnahmen wurde beispielsweise ein fünftägiges Erscheinungsverbot für die sozialdemokratische Volkszeitung und ein auf acht Tage befristetes Verbot für den Pfälzer Boten erlassen. Diese Vorgänge erregten jedoch in Heidelberg wenig Aufsehen, es hatte solche Verbote schon zuvor in der Ära Brüning gegeben.
Am 28. Februar 1933 erging eine Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat. Das war ein wichtiger Schritt zur Machtergreifung Adolf Hitlers und zur Beseitigung des demokratischen Rechtsstaats. Für die Verkündigung wurde der Reichstagsbrand in der Nacht zuvor zum Anlass genommen. Die Bürgerrechte der Weimarer Verfassung wurden damit außer Kraft gesetzt. Der Reichspräsident Paul von Hindenburg räumte damit sich selbst die Befugnis ein, "zur Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte ... die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötigen Maßnahmen (zu) treffen, erforderlichenfalls mit Hilfe der bewaffneten Macht ein(zu)schreiten." Damit war die legale Grundlage für die Ausschaltung und Verfolgung politischer Gegner geschaffen. Die Verhängung von "Schutzhaft" war nicht mehr, wie in der Weimarer Republik an die Strafprozessordnung gebunden. In Heidelberg wurden die genannten Verordnungen zunächst nur gegen Kommunisten angewendet. Die Heidelberger Neusten Nachrichten vom 2. März 1933 meldeten eine Durchsuchungsaktion bei "sechs kommunistischen Führern", das Heidelberger Tageblatt vom 4. März 1933 die Verhaftung von etwa zwanzig Funktionären der KP, darunter die Stadträte Franz Böning und Anton Böhner, und Verhängung von Schutzhaft, .[2]
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Friederike Reutter, Verfolgung und Widestand der Arbeiterparteien in Heidelberg (1933- 1945), in: Jörg Schadt und Michael Caroli (Hrsg.), Heidelberg unter dem Nationalsozialismus. Studien zu Verfolgung, Widerstand und Anpassung, C. F. Müller Juristischer Verlag, Heidelberg 1986, ISBN 3-8114-4384-4, S. 469 - 550; eine der Quellen für diesen Artikel
- Arno Weckbecker, Die Judenverfolgung in Heidelberg 1933- 1945, in: Schadt/Caroli (Hrsg.), Heidelberg unter dem Nationalsozialismus, Heidelberg 1986, S. 300 - 468