Konzentrationslager Natzweiler kommt nach Nordbaden: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 28. August 2024, 23:29 Uhr
Das Konzentrationslager Natzweiler kommt 1944 aus Frankreich nach Nordbaden nach bzw. in die Umgebung Mosbachs, in den heutigen Stadtteil Neckarelz, und nach Obrigheim.
Zwischen beiden Lagerteilen fließt der Neckar, über den eine Eisenbahnbrücke führt. Über sie marschieren in diesen Monaten täglich Häftlingskolonnen, die sich bei der Arbeit in 12-Stunden-Schichten abwechseln. Also zweimal nach Süden und zweimal nach Norden über die Brücke und durch die Straßen von Neckarelz und Obrigheim. Ihr Leiden war dort täglich unübersehbar. In der unmittelbaren Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gerät relativ schnell in Vergessenheit, dass vor Kriegsende dieses große KZ aus dem besetzten Teil Frankreichs für wenige Monate nach Nordbaden verlagert wird ohne seine SS-interne Bezeichnung als „K.L. Natzweiler-Struthof“ zu ändern.[1] Die SS vergrößert es in kurzer Zeit, weil hier Flugzeugmotoren „Für den Endsieg“ montiert werden sollen (Nazi-Propaganda ab 1943; zur Koordinierung der Rüstungsverlagerung gibt es einen sog. Jägerstab).
Das schnelle Kriegsende, die komplette militärische deutsche Niederlage und das Ende der Naziherrschaft in Europa gab wahrscheinlich als Folge auch in den Wehrmachts- und NSDAP-Zentralen in Berlin Wichtigeres zu entscheiden, als ob und wie diese Unterdrückungszentrale genannt wird, die ab 1944 im heutigen Neckar-Odenwald-Kreis mehrere sogenannte Nebenlager oder KZ-Außenkommandos befehligt.
Am bekanntesten wurde nach 1990 der Kern des Konzentrationslagers in Mosbach-Neckarelz und Obrigheim durch eine lokale Initiative für das Andenken der Opfer und die Mahnung an die deutschen NS-Verbrechen.
Im selben Zusammenhang stehen (Artikel über) das Konzentrationslager Neckargerach, die Gedenkstätte Jüdischer Friedhof in Binau, die Gedenkstätte an das bereits genannte hierher verschobene Konzentrationslager in Mosbach, der Gedenkweg Goldfisch und die SS-Lagerkommandantur Natzweiler in Guttenbach. Die ehemalige Eisenbahnstrecke Heidelberg-Aglasterhausen-Mosbach-Würzburg[2] führte nordöstlich von Obrigheim mitten durch einen Lagerteil.
Das deutsche SS-Konzentrationslager in Frankreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Das Konzentrationslager Natzweiler wurde 1941 im von Deutschland annektierten Elsass durch die Gestapo/SS südlich von Strasbourg errichtet. Dort werden zunächst vor allem französische politische Häftlinge aus dem Elsass und später aus weiteren den europäischen Widerstandsbewegungen gegen die Naziherrschaft gefangen gehalten, aber auch Kriegsgefangene, verfolgte Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle und Zeugen Jehovas aus Frankreich und Deutschland werden von Beginn an dorthin deportiert.
Im Lauf der Zeit werden dem SS-Hauptlager Natzweiler viele Außenlager auf beiden Seiten des Rheins organisatorisch unterstellt. Diese zahlenmäßig "kleinen" Konzentrationslager werden genutzt, um vor Ort die an einzelne Firmen von der NSDAP/SS mit Vertrögen an Firmen vermieteten Häftlinge Sklavenarbeit verrichten zu lassen. Es gibt sie auch bei Heidelberg, Mannheim und Tübingen. Solche „Nebenlager“ gab es auch in vielen deutschen Großstätten: Berlin, Frankfurt, München, Nürnberg, dem Ruhrgebiet.
Etwa 52.000 Häftlinge aus ganz Europa, insbesondere aus den Gefängnissen in den besetzten lothringischen Städten Épinal und Nancy sowie Belfort in der Franche-Comté wurden dorthin oder in die angeschlossenen/untergeordneten Außenlager des Hauptlagers, die Nebenlager von Natzweiler, auf beiden Seiten des Rheins deportiert (Bild und Liste im Wikipedia-Artikel, s.u.). 22.000 Personen wurden durch unbehandelte Krankheiten, Kälte, Mangelernährung etc. ermordet, bzw. starben an solchen Haftfolgen oder wurden in Gewaltakten ermordet, d.h. sie wurden durch die NS-Sklavenarbeit vernichtet (siehe unter dem Begriff Vernichtung durch Arbeit bei Wikipedia). Und durch die Vermietung profitierte die SS/NSDAP auch noch. Am Ende dieser auch in Deutschland unübersehbaren Unterdrückung von Menschen standen „Selektionen“,[3] Hunger- oder Sterbelager der SS, Deportation in die Todesfabriken wie Auschwitz oder Sobibor.[4]
Das Ende des deutschen Konzentrationslagers in Frankreich, Natzweiler und seiner Nebenlager, durch die alliierte Invasion (D-Day) stellt sich als ein längerer Ablauf dar. Unter dem Druck des Vormarsches der Alliierten werden zunächst die Lager auf der westlichen Rheinseite zwischen September und November 1944 aufgelöst. Teile der Häftlinge der Konzentrationslager werden nach Osten über den Rhein "ins Reich" "verschoben“ (Deportationen nach München u. a. Orten, Todeszüge).
Damit entsteht für wenige Monate ein KZ Natzweiler am Neckar oder noch deutlicher ausgedrückt: ein neues, zweites Konzentrationslager Natzweiler im heutigen Städtchen Mosbach und seiner Umgebung.
Die "Umsetzung" des KZ ins Reich, das nahe Kriegsende[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Dies betrifft Hunderte von Häftlingen ebenso wie die Reste der SS-Kommandantur des Hauptlagers, die in die nordbadischen Dörfer im Neckartal Guttenbach und Binau (Lage zwischen Heilbronn und Eberbach) und berets gegründete „Nebenlager“ in der Region verlegt werden. So besteht das ehemalige „Konzentrationslager Natzweiler“ in Frankreich unter diesem Namen dann, als einziges der großen SS-Stammlager, in seinen Nebenlagern im Neckartal mitten in Deutschland weiter. Während Nazi-Deutschland immer weiter militärisch zusammenbricht, reorganisiert die SS ausgerechnet ein schon befreit geglaubtes Konzentrationslager noch einmal für einige Monate in Nordbaden.
Als die Alliierten bei Oppenheim südlich von Mainz den Rhein überschreiten und rasch in Richtung Mannheim, Würzburg und Stuttgart (Baden und Württemberg) vorstoßen, beginnt ein Zeitraum von so genannten "Evakuierungen" und Todesmärschen – in den noch existierenden "kleinen", dezentralen Konzentrationslagern. Dies dauert bis zum „wirklichen Ende“ des „Konzentrationslagers Natzweiler“ im April/Mai 1945. Der beschönigende Ausdruck "Evakuierung" meint dabei zwei Dinge: die Beseitigung von Spuren — falls in den Kriegsabläufen scheinbar für die SS vor Ort nicht anders umsetzbar, auch durch Ermordung von ganzen Häftlingsgruppen. Und zweitens in der Überführung von möglichst vieler der noch arbeitsfähigen Gefangenen in "sichere" Lager, um sie entweder auszubeuten oder als Tauschkapital für Verhandlungen mit den Kriegsgegnern zu verwenden.
Zusammenfassung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Nach der Befreiung Frankreichs 1944 existierte das KZ Natzweiler-Struthof somit zunächst auf dem Papier der deutschen Behörden weiter als Hauptlager der vielen "kleinen" Außenlager, die zwischen Südhessen und im gesamten Baden und Württemberg, mit einem Schwerpunkt in und am Neckartal, errichtet worden waren bzw. noch errichtet wurden.
- zum Hauptartikel über das Konzentrationslager in Mosbach-Neckarelz (1944 bis 1945) und die dazu errichtete Gedenkstätte
Die neue Verwaltung u. Kommandantur eines Lagerkomplexes um den Ort Binau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die SS versuchte in Guttenbach/Baden in der Nähe von dem Mosbacher Lager eine neue Verwaltung für den verbliebenen Lagerkomplex zur Rüstungsproduktion im Südwesten aufzubauen. Guttenbach, Ort der Kommandantur, ist heute ein Ortsteil, des auf der anderen Neckarseite liegenden Neckargerachs.
Einen ähnlichen Ablauf gab es in dieser Zeit auch mit den Außenlagern des Konzentrationslagers Dachau, die sich südlich von München errichtet und schnell vergrößert wurden. An der Ostgrenze des SS-Machtbereichs geschah dergleichen bei Krakau/Krakow mit dem Konzentrations- oder Vernichtungslager Auschwitz. Zum Teil wurden alte SS-Strukturen nur örtlich verlagert, zum Teil neue Inhaber auf seit 1936/1939/1941 bestehenden Posten gesetzt.
Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Helene Hecht (Beispiel Mannheim)
- Konzentrationslager Kislau
Gedenkstättenverbund ab 2024[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Ein Gedenkstättenverbund wurde im Neckar-Odenwald-Kreis 2024 gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern gehören fünf Gedenkstätten auf dem Gebiet des Kreises, nämlich die Stiftung Bücherei des Judentums in Buchen, der Förderverein Mahnmal Neckarzimmern, die KZ-Gedenkstätte Neckarelz, der Maria-Zeitler-Pfad in Mosbach sowie die Gedenkstätte in der ehemaligen Synagoge Adelsheim-Sennfeld.
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Benz/Distel (Herausgeberinnen der Reihe): Der Ort des Terrors. Darin: Steegmann in Band 6, Natzweiler. München, 2007. (Details zur Buchreihe bei Wikipedia)
- Tobias Markowitsch, Kattrin Rautnig: Goldfisch und Zebra. Das Konzentrationslageraußenkommando Neckarelz. Dallau, 2005.
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Liste der Außenlager des KZ Natzweiler-Struthof (bei WP)]
- Ausführlicher KZ Natzweiler-Struthof (Artikel bei WP mit umfangreichen Literaturangaben)
Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Konrad Pflug: [https://www.lpb-bw.de/publikationen/natzweiler/Natzweiler.pdf Auf dem Weg zu einer Geschichte des KZˋs Natweiler. 2000, LZPB Ba-Wü. Vorwort.
- ↑ Bei Wikipedia: als Odenwaldbahn%20(Baden)
- ↑ Was der Begriff Selektion in Konzentrationslagern umfasst In Wikipedia-Artikel
- ↑ Nicola Wenge, im Absatz "Das letzte Kriegsjahr" in Das KZ-System, bpb, 2006